15.05.2020
Medizin: Eins; Psychologie: Sechs – Virologen verstehen nichts von Viren (im Netz)!

Medizin: Eins; Psychologie: Sechs – Virologen verstehen nichts von Viren (im Netz)!

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Christian Drosten ist derzeit der Mann der Stunde – Chefvirologe der Charité, Berater der Bundesregierung und einer der besten seines Fachs. 

Er und sein Team waren es, die bereits im Jahr 2002 das SARS Virus entdeckten.  18 Jahre später, im Januar 2020, als die Welt noch nicht wusste, ob sie Corona als chinesisches Problem oder globale Bedrohung sehen sollte,  hatte das gleiche Team bereits den weltersten Corona Test parat. Drostens Podcast, den er zusammen mit dem NDR herausgibt, ist der beliebtestes Podcast in Deutschland. Dabei hilft, dass Mr. Corona in der Lage ist, abstrakte Dinge mit Anekdoten zu erklären, z.B., dass er kurz vor dem Lockdown noch schnell ein Bier in der Kneipe getrunken hat – natürlich aus der Flasche, um kein Hygienerisiko einzugehen.

Soweit so gut. Derselbe Christian Drosten beschwert sich nun allerdings mit Kollegen in einer ganzseitigen Anzeige in der New York Times, dass Facebook, Twitter & Co doch bitte die zahlreichen Fakenews über das Virus besser kontrollieren sollten.

Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten

Was einerseits verständlich klingt, erstaunt, wenn man genauer hinschaut: Drosten kann Virologie und er kann sie auch erklären.  Umso befremdlicher, dass ihm ein psychologischer Aspekt von Fakenews offenbar fremd ist. Denn sonst wüssten er und seine Kollegen, dass wir Menschen schlechten Nachrichten mehr Glauben schenken als guten Nachrichten. Der Grund für diese bad news is good news Strategie: Unser paranoides Reptiliengehirn, gesteuert von unserem Selbsterhaltungstrieb, schätzt die Realität grundsätzlich schlimmer ein als sie ist – gemäß dem Gehirn-Motto: „Besser ein Pessimist der lebt, als ein Optimist, der tot ist.“ In Krisenzeiten wird das ganze noch verstärkt, weil unser Gehirn dann in den Panikmodus schaltet. 

Je angreifbarer dabei die ursprüngliche Story ist, desto mehr schmückt unser limbisches System im Gehirn die Fakten zu einer Horrorstory aus. Das, was Drosten und Kollegen als „Fake News“ bezeichnen, sind nichts anderes als Gerüchte, die sich die Menschen seit Urzeiten erzählt haben.  Fake News zu verbieten hieße in etwa das gleiche wie den Menschen Klatsch, Tratsch und damit die Kommunikation miteinander zu untersagen. Ein hoffnungsloses Unterfangen. 

Fakenews sind Viren

Fakenews sind leider oft gute Storys. Sonst würden nicht so viele zuhören. Und gute Storys sind wie Viren: Sie haben, erstens,  eine hohe Followerzahl, sie sind zweitens, wie man im Marketing sagt, „sticky“, das heißt, sie verschwinden nicht so schnell wieder und drittens bringen sie andere dazu, die Storys weiterzutragen oder zu „sharen“. Das ganze geht also „viral“. Fakenews verhalten sich daher genau so wie ein Virus und der Begriff „virales Marketing“ leitet sich aus der Medizin ab – nicht umgekehrt. Drosten & Co müssen also nicht weiterschauen als in ihren eigenen Fachbereich, um zu erkennen, wie Fakenews funktionieren. 

Idiotensicher kommunizieren

Wie wird man dann aber Fakenews los? Durch klare, eindeutige Storys und Statements, die nicht mißverstanden werden können. Wie eine Story beim Empfänger ankommt, entscheidet der Empfänger, nicht der Sender. Und wenn Virologen keine klare und gute Story über ihr Thema erzählen, erzählen im Internet tratschende Menschen eine klare aber schlechte Story. 

Anstatt der Fakenews Hydra also alle Köpfe abschlagen zu wollen, muss die Aufgabe sein, unmißverständlich und krisensicher zu kommunizieren. Und in diesem Fall heißt krisensicher idiotensicher. Ansonsten gilt leider: Was mißverstanden werden kann, wird mißverstanden! Und Corona Virus und Fakenews gehen gemeinsam viral.

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