Berlin (OTS) –
In Deutschland, wo Emotionen in der Politik verpönt sind und man von Bundeskanzler Olaf Scholz sagt, er habe die Ausstrahlung einer Schrankwand, mögen wir über Donald Trump den Kopf schütteln. Über seine Tanzeinlagen, seine absurden Behauptungen zu Kamala Harris‘ Schuld an Börseneinbrüchen („Kamala Crash“) und seine Schuldzuweisungen gegen Migranten und Bündnispartner. Aber trotz polarisierender Inhalte versteht es der ehemalige und höchstwahrscheinlich künftige US-Präsident, seine Zielgruppe durch Storytelling zu überzeugen. „Er vermittelt seine Botschaften so, dass sie die menschlichen Urinstinkte ansprechen und sich direkt in der VIP-Lounge des Gehirns verankern“, sagt der Bestseller-Autor und bekannte Storytelling-Experte Prof. Veit Etzold.
Storytelling ist kein Zufall
Jede gute Story folgt einer Struktur, die tief in unseren Überlebenstrieb eingebettet ist. Sie basiert auf vier zentralen Elementen: Einer Situation, einer Bedrohung oder Krise, einem Wendepunkt und einem Happy End. Diese Story-Bausteine sind keineswegs zufällig gewählt – sie sind die Grundelemente menschlichen Überlebens und haben sich über Jahrtausende hinweg bewährt. „Fakten berichten, aber Geschichten verkaufen“, sagt Veit Etzold, der sich nicht nur als Thrillerautor, sondern auch als Professor für Neuromarketing mit der Wahrnehmung von Storys im menschlichen Gehirn befasst. „Wir schauen uns die Realität an und machen daraus eine Story. Und wenn diese Story glaubwürdig klingt, dann wird sie geglaubt. Glaubwürdig klingen reicht schon. Die Story muss nicht wahr sein“, sagt Storytelling-Experte Etzold.
Diese Taktik hat Donald Trump schon im Wahlkampf 2016 angewandt. Die Bedrohung, die er schilderte, waren die mexikanischen Einwanderer, gegen die er mit dem Bau einer Mauer ankämpfen wollte. Sein Slogan „Make America Great Again“ vermittelte klar seine Vision. Und warum war er der richtige für den Bau der Mauer, in Abgrenzung zu Hilary Clinton? Weil er Bauunternehmer ist!
Trumps Storytelling-Schema: Bedrohung, Held, Happy End
Auch wenn Trump impulsiv wirkt, sind die meisten seiner Geschichten klar geplant. Trumps Ansatz folgt dabei immer einem klaren Schema: In der ersten Phase, der Situationsbeschreibung, zeichnet er ein Bild von einem Amerika, das unter den Demokraten leidet. Wirtschaftliche Schwäche, soziale Unzufriedenheit und die Bedrohung durch äußere Feinde wie China und zahlreiche Krisenherde, in denen sich Amerika aufreibt, sind feste Bestandteile seiner Narration. Diese Darstellung trifft das Sicherheitsbedürfnis und die wirtschaftlichen Sorgen seiner Zielgruppe.
Im zweiten Schritt bringt er das Desaster ins Spiel. Dort zeichnet er eine düstere Vision von Amerika unter der Führung der Demokraten, ein Szenario von wirtschaftlichem Niedergang und politischem Chaos, wo ein schlechtes Ereignis das nächste noch schlechtere Ereignis hervorruft. Ungeregelte Migration führe zu steigender Arbeitslosigkeit, sozialen Unruhen und am Ende zum Verlust der amerikanischen Vormachtstellung. Egal, ob das wahr ist oder nicht, Trump behauptet das und bleibt konsequent bei seiner Story.
Dann kommt die Wendung in Trumps Story. Er präsentiert sich als derjenige, der Amerika wieder in die richtige Richtung lenken kann. Er gibt Einblicke in „Erfolge“ seiner Präsidentschaft, als die Inflation niedriger war, der Arbeitsmarkt boomte und das Land außenpolitisch als starker Verhandlungspartner agierte und nicht der Zahlmeister der NATO war.
Schließlich zeichnet Trump ein Happy End, in dem Amerika unter seiner Führung wieder prosperiert. Die Lösung, so Trumps Erzählung, ist seine Wiederwahl. Hier bedingt ein vermeintlich positives Ereignis das nächste. Amerika nutzt seine Ölvorkommen, dadurch werden Jobs geschaffen, die US-Autokonzerne verkaufen Autos mit Verbrennermotoren und niemand ist von China abhängig. Dann gibt es weniger Inflation, mehr Jobs in Amerika. Trump zeigt sich als Macher, der den US-Bürgern sagt, wo es langgeht, sie aber mit „Kleinigkeiten“ wie Minderheiten, Klimawandel und Gender-Themen in Ruhe lässt. Die Story schließt mit dem Versprechen einer besseren Zukunft mit dem Slogan „Make America Great Again“. Den Slogan hatte schon Ronald Reagan 1980 genutzt, aber auch das fällt niemandem auf.
„Wenn alle das Gleiche tun und anbieten, wird die Story zum unfairen Wettbewerbsvorteil. Nur wenige beherrschen die Technik des Storytellings besser als Donald Trump“, sagt Veit Etzold, Bestsellerautor und Deutschlands bekanntester Experte für Storytelling.
Eine gute Story kommt am Türsteher unseres Gehirns vorbei
Die wissenschaftliche Grundlage dieses Effekts ist diese: Die menschliche Psyche reagiert stark auf narrative Strukturen. „Es gibt in unserem Gehirn ein System, das Informationen verarbeitet und eines, das diese Informationen erst einmal bewertet. Informationen, die über eine einprägsame Story vermittelt werden, haben dabei eine größere Chance, in unser Bewusstsein vorzudringen. Eine Story kommt fast immer am Türsteher im Gehirn vorbei“, sagt Etzold.
Für Organisationen, Unternehmen und Individuen ergibt sich daraus eine entscheidende Erkenntnis: Eine überzeugende Story ist oft wirkungsvoller als reine Fakten. Wer seine Zielgruppe erreichen will, muss sagen, was durch ihn besser wird, was ohne ihn schlechter wird und warum gerade er oder sie die richtige Person ist.
Wer keine Story erzählt, lässt ein Vakuum. Und dieses Vakuum wird immer gefüllt, im Zweifelsfall mit einer Fakestory. Da Bedrohungsgeschichten evolutionsbedingt eine stärkere emotionale Wirkung entfalten als positive Erzählungen, werden sie eher geglaubt. „In unserem Gehirn gilt die Devise: Besser ein Pessimist, der lebt, als ein Optimist, der tot ist.“, so Etzold.
Die Konsequenz ist daher genau so einfach wie gnadenlos. „Entweder man erzählt eine gute Story über sich oder andere erzählen eine schlechte Story über einen“, sagt Etzold. Das gilt für Unternehmen, Organisationen und Personen, egal ob CDU oder SPD, Deutsche Bank, Unicredit, Siemens, Porsche, SAP oder mittlere und kleinere Unternehmen wie Würth oder Zeiss oder Beratungen und Verbände wie den BDI. Wer die Kunst des Storytellings beherrscht, hat schon fast gewonnen. In der Politik, aber auch in der Wirtschaft.
Über den Autor:
Prof. Dr. Veit Etzold ist ein gefragter Vortragsredner, CEO-Coach und Berater für Strategie und Storytelling. Mit 20 Jahren Erfahrung in Banking, Versicherung, Strategieberatung und Executive Education sowie als 13-facher Spiegel-Bestsellerautor mit 2 Millionen verkauften Büchern (u.a. der aktuelle Thriller „Final Blood“ und das Sachbuch „Der weiße Hai im Weltraum“) verbindet er Business- und Bestseller-Kompetenz. Als Professor für Marketing/Vertrieb und Direktor des Competence Centers für Neuromarketing an der Hochschule Aalen erforscht er, wie Storys im Gehirn funktionieren.