Einleitung
Nach langem, unentschlossenen Dahin-Eiern, das ich schon oft kritisiert habe, hat Friedrich Merz eine überraschende Kehrtwende hingelegt. Während er zuvor oft als zögerlich und angepasst wahrgenommen wurde, scheint er nun einen neuen Kurs eingeschlagen zu haben – einen, der in seiner Ausrichtung stark an Donald Trump erinnert. Der Mordfall in Aschaffenburg, so tragisch er ist, scheint der Wendepunkt gewesen zu sein, der Merz veranlasste, sich stärker zu positionieren.
Ein Schurke für den Helden: Die politische Wendung von Merz
In der Kommunikation und Wahrnehmung braucht jede politische Geschichte zwei zentrale Figuren: den Helden und den Schurken. Für Merz, so scheint es, war der Mordfall in Aschaffenburg der auslösende „Schurke“, der ihm die Möglichkeit bot, sich selbst als Problemlöser und damit „Held“ zu inszenieren. Vor diesem tragischen Ereignis wurde er oft als vorsichtig und unentschlossen kritisiert, da seine Rhetorik darauf abzielte, niemanden – vor allem nicht SPD und Grüne – zu verärgern. Es schien fast so, als wäre ihm die Zustimmung des linken Mainstreams wichtiger als die Zustimmung der potentiellen CDU Wähler, die es dann doch nicht so toll finden, wenn Anschläge und Morde im monatlichen Rhythmus stattfinden.
Jetzt präsentiert sich Merz als starke, handlungsfähige Alternative mit einem knallharten Fünf Punkte Plan – ein Stil, der stark an Trumps Politik in den USA erinnert.
Von Trump lernen heißt siegen lernen
Die Vergleiche zu Donald Trump ergeben sich nicht zufällig. Merz kündigt an, der Bundespolizei neue Befugnisse zu geben und Abschiebungen umfassend zu organisieren – ähnlich wie sie die US-amerikanische ICE (Immigration and Customs Enforcement) schon längst hat. Zudem möchte er leerstehende Kasernen als Auffanglager nutzen und spricht von einem faktischen Einreiseverbot für Migranten. All das will er „am ersten Tag“ seiner möglichen Kanzlerschaft durchziehen, eine Forderung, die sicher nicht zufällig direkt an Trumps „Day One“-Strategie erinnert. Wir wissen: Trump hat ja noch am Tag der Inauguration einen Haufen „Executives Orders“ unterschrieben, die so zahlreich ausfallen, dass es in den USA laut Financial Times schon Anwaltskanzleien gibt, die Behörden und Unternehmen bei der Umsetzung dieser Regelflut helfen.
Auch rhetorisch hat sich Merz von seiner bisherigen Linie gelöst. Er scheint nicht länger darauf bedacht zu sein, den Koalitionspartnern gefallen zu wollen, sondern fokussiert sich auf die Wählerschaft, die klare Ansagen und Handlungsfähigkeit fordert. Damit positioniert er sich als konservative Antwort auf die AfD, die in ähnlicher Weise versucht, Wähler mit stark polarisierenden Positionen zu gewinnen. Vom Positionierungsstandpunkt aus ist das mehr als nachvollziehbar und man fragt sich, warum Merz erst jetzt damit anfängt. Franz Josef Strauß war es, der gesagt hatte, dass sich keine Partei rechts der CSU (und damit auch CDU) positionieren dürfe. Diese Einsicht folgt einem simplen Naturgesetz, das auch beim Storytelling gilt: Die Natur mag kein Vakuum, alles wird gefüllt. Eine nicht erzählte Story wird mit Anti-Storys gefüllt. Ein „freier Platz“, weil die CDU unter Merkel nach links rückte, wird sehr gern von der AfD eingenommen.
Marketing nur für die, die das Produkt kaufen
Ich habe in einem anderen Artikel einmal den Kirchen vorgeworfen, dass sie sich an Leute anbiedern, die ohnehin nicht in die Kirche gehen – und damit die Stammkunden verlieren. Denn das ist auch eine alte Marketingweisheit: Neukunden gewinnen ist schwieriger als Stammkunden zu vergraulen. Man muss mit Merz Vorhaben nicht konform gehen, aber man kann ihm attestieren, dass er endlich verstanden hat, dass Merz und sein Programm nicht den überzeugten SPD und Grünen Wählern gefallen muss, sondern den potentiellen CDU Wählern und dabei besonders denen, die schon zur AfD übergelaufen sind. Trump hat das selbst sehr gut vorgemacht: The Donald hat sich nie bei denen angebiedert, die ihn ohnehin nicht mögen, sondern stringent seine Zielgruppe bedient. Denn: Marketing für Leute zu machen, die das eigene Produkt sowieso nicht kaufen, ist rausgeschmissenes Geld.
Der Mordfall als Wendepunkt: Eine bittere Wahrheit
So tragisch es ist, scheint der Mordfall in Aschaffenburg der Katalysator für Merz’ neue Rhetorik und Strategie gewesen zu sein. Scheinbar hat dieses Ereignis bei ihm die Blockaden gelöst, über die ich hier mehrfach geschrieben habe. Es ist natürlich sehr traurig, dass erst ein solches Ereignis nötig war, um Merz aus seiner politischen Starre zu befreien. Dennoch ist die Transformation bemerkenswert: Merz wirkt entschlossener und frei von den „Fesseln“, die ihn zuvor zurückgehalten haben. Die Frage, die sich jeder Coach stellen würde ist die, ob diese Wendung langfristig glaubwürdig bleibt oder nur eine taktische Anpassung an die politische Stimmung ist.
Die Herausforderung für Olaf Scholz und die SPD
Während Friedrich Merz seine neue Rolle einnimmt, wirkt die Kampagne von Olaf Scholz – „Mehr für dich, besser für Deutschland“ – zunehmend deplatziert. In einer Zeit, die von Unsicherheit und Angst geprägt ist, fehlt es dieser Botschaft an Relevanz und Dringlichkeit. Andererseits ist bis zum Wahltermin noch etwas Zeit, die Bürger vergessen schnell und falls sich bis zum 23. Februar nicht allzu viele Morde und / oder Anschläge ereignen, werden die Deutschen vielleicht doch wieder die „bekannte Hölle“ in Form des ewig gleichen wählen statt den „unbekannten Himmel“ eines Neuanfangs. Merz darf also mit seiner Kampagne nicht nachlassen.
Fazit: Wann decke ich das Dach? Bei Sonnenschein oder beim Gewitter?
Napoleon sagte, dass die größte Gefahr im Moment des Sieges liegt. Dachdecker wissen, dass man ein Dach beim Sonnenschein ausbessert und nicht beim Wolkenbruch. Nun ist beim Wolkenbruch allerdings die Notwendigkeit eines guten Daches klarer und genau so denken die Deutschen, und das ist die Tragik. Hier zeigt sich, dass in Deutschland oft erst ein Desaster passieren muss, bevor Lösungen angegangen werden. Und am besten nicht nur ein Desaster, sondern mehrere. Konfuzius sagte, dass man Erfahrung durch dreierlei Dinge bekommen kann: Durch Nachahmen, die Einfachste; durch Weisheit, die Erhabenste; durch Erfahrung, die bitterste. Die Deutschen entscheiden sich dabei grundsätzlich für das Lernen durch Schmerzen.
Anfangen ist leicht – durchhalten ist schwierig
Für Merz Strategie bedeutet das, konsequent bei seiner neuen Position als „Deutscher Trump“ zu bleiben, auch dann, wenn (hoffentlich) nicht jede Woche ein neues Desaster passiert. Das ist auch ein wesentlicher Aspekt von jeder Change Kommunikation, auch in Unternehmen: Die Ankündigung ist, wie ein Neujahrsvorsatz immer leicht. Was schwierig und herausfordernd ist, sind die Niederungen der langfristigen Umsetzung.
Ursprünglich erschienen in Focus Online: https://s.focus.de/74016124