Jaguar trennt sich von seinem legendären Logo – eine Entscheidung, die weltweit für Aufsehen sorgt. Storytelling-Profi Veit Etzold beleuchtet, warum solche radikalen Veränderungen für Unternehmen gefährlich sein können und welche Folgen drohen.
Es gibt ein treffendes Sprichwort: „Wenn es dem Esel zu wohl ist, dann geht er aufs Eis.“ Dieser Ausdruck beschreibt, wie Übermut oder der Drang, etwas grundlegend zu verändern, oft zu kostspieligen Fehlentscheidungen führt. Gemäß dem schönen IT-Spruch: „Wenn es nicht kaputt ist, reparier es nicht!“ Aktuell zeigt die Traditionsmarke Jaguar, wie riskant solche Schritte sein können. Der Automobilhersteller hat angekündigt, sich von seinem ikonischen Logo – der springenden Raubkatze – zu trennen. Das ist so, als würde Apple auf seinen Apfel verzichten oder Mercedes den Stern aufgeben. Kann sich jemand das bei Apple oder Mercedes vorstellen? Wohl eher nicht.
Diese Entscheidung wirft eine zentrale Frage auf: Was bleibt von einer Marke, wenn sie ihren Kern aufgibt? Und der Kern ist fast immer ein simples Symbol: Der Apfel, der Stern, der Swoosh von Nike, die Schrift von Coca-Cola oder, bei der Kirche, das Kreuz. Die Fans von Jaguar sind schon einmal entsetzt. Elon Musk äußerte sich ebenfalls verständnislos. Sicher ist: solche Aktionen gehen fast immer schief und kosten sehr viel Geld.
Die Wirtschaftswelt ist voller Beispiele, wie Änderungen am Markenkern oder an zentralen Elementen der Markenkommunikation nicht nur scheitern, sondern teils massiven Schaden anrichten können:
Coca-Cola und die Rezepturänderung:
Einer der ganz großen Klassiker: In einem Blindtest schnitt Coca-Cola schlechter ab als Pepsi. Das Unternehmen reagierte mit einer neuen Rezeptur – die aber bei den Kunden durchfiel. Es gab in den USA Demonstrationen mit Tausenden von Menschen, und der Protest war so groß, dass die klassische Coca-Cola für viele Millionen wieder eingeführt werden musste. Der Vorfall zeigte, wie tief die emotionale Bindung der Verbraucher an das Original war.
Kinderschokolade und das neue Gesicht:
Viele erinnern sich an das ikonische Kinderportrait, das jahrzehntelang die Verpackung der Kinderschokolade zierte. Als das Gesicht ausgetauscht wurde, hagelte es Kritik. Kunden fühlten sich mit der Marke weniger verbunden, der Wiedererkennungswert sank, und Ferrero musste die Entscheidung kommunikativ aufwendig begleiten und die Kunden beruhigen.
Tropicana und die Verpackungsänderung:
Der Orangensafthersteller wollte mit einer modernen Verpackung ein neues Image schaffen. Doch das neue Design führte dazu, dass Kunden das Produkt im Supermarkt gar nicht erst fanden. Und damit auch nicht kauften. Der Umsatz brach ein, und Tropicana kehrte für Millionen an Kosten zum alten Look zurück.
Diese Beispiele zeigen, wie stark Kunden an vertrauten Markenbildern hängen und dass jede Abweichung sorgfältig bedacht sein muss, wenn sie denn überhaupt notwendig ist. Amazon-Gründer Jeff Bezos sagte dazu so treffend: „Die Marke ist das, was Leute über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist.“ Mit dieser Definition wird deutlich, wie wichtig eine konsistente und verständliche Marken-Story ist.
Es ist also der Kunde, der die Marke definiert, nicht das Unternehmen. Genauso wie es auch der Kunde ist, der am Ende bezahlt.
Eine erfolgreiche Marke ist weit mehr als ein Produkt – sie ist eine Geschichte, die bei den Menschen Emotionen weckt. Dazu gehören:
1. Klarheit und Einfachheit
Markenbotschaften sollten so klar formuliert sein, dass selbst die „dümmsten anzunehmenden Nutzer“ sie verstehen. Der Kunde möchte nicht durch kryptischen Marketing-Jargon irritiert werden. Vor allem versteht ein Kunde nicht, warum die Marke „Jaguar“ auf den „Jaguar“ verzichtet.
2. Bewahrung des Markenkerns
Der Kern einer Marke ist ihr Wiedererkennungswert. Elemente wie Logos, Designs oder zentrale Botschaften sind essenziell, um die emotionale Verbindung zum Kunden aufrechtzuerhalten. Und jeder kennt die Kühlerfigur bei den Jaguars, ähnlich wie bei Rolls-Royce oder auch Mercedes.
3. Kundenzentrierung
Eine Marke ist für den Kunden da, nicht umgekehrt. Anreize für Änderungen dürfen nicht auf Langeweile bei Marketingabteilungen oder krampfhafter Veränderung beruhen, sondern müssen es dem Kunden so einfach wie möglich machen, die Marke zu mögen – und zu kaufen.
Ich sage es daher meinen Mandanten in Positionierungsworkshops immer wieder: Ein Bestseller ist nicht zufällig erfolgreich; er wird so geschrieben, dass er das Publikum anspricht. Genauso muss eine Marke ihre Story so erzählen, dass sie für alle verständlich, attraktiv und einprägsam ist. Denn es ist nicht Aufgabe des Kunden, die Marke zu verstehen. Die Marke muss es dem Kunden so leicht wie möglich machen.
Das wusste schon Samuel Walton, der Gründer von Wal-Mart, des größten Einzelhändlers der Welt: „Der stärkste Mensch im Unternehmen ist der Kunde, denn er kann jeden feuern. Vom einfachen Arbeiter ganz unten bis zum Vorstand ganz oben. Ganz einfach, indem er seine Produkte künftig woanders kauft.“
Jaguar hat mit der Entscheidung, sich von seinem ikonischen Logo zu trennen, eine riskante Wette abgeschlossen. Denn Jaguars werden von Menschen gekauft, die diese ikonische Marke schätzen. Es bleibt abzuwarten, ob diese Entscheidung langfristig Früchte trägt oder in der Marketinggeschichte als ein weiteres Beispiel für Fehleinschätzungen eingeht. Denn wenn der Kern einer Marke verschwindet, bleibt oft nicht viel übrig.
Meine Prognose: Jaguar wird das Ruder ganz schnell wieder herumreißen und die unfähige Agentur feuern, auf deren Mist diese Brand-Amputation gewachsen ist.
Falls das nicht sofort passiert, spätestens dann, wenn die Kunden mit den Füßen wählen und keine Jaguars mehr kaufen.
Am 22.11.2024 erschienen auf Focus Online: https://s.focus.de/38bc68b6